Scheunendrescher Nr.16

Wenn Bach ein Jazzer gewesen wäre

Auch der 16. Stralendorfer Scheunendrescher bot wieder viel Amüsantes und Wissenswertes / 2017 wieder mehrere ländliche Talkshows geplant
Stralendorf
– Zu den musikalischen Höhepunkten des jüngsten Stralendorfer Scheunendreschers unter dem Motto „Es gibt kein Bier auf Hawaii. 500 Jahres Deutsches Reinheitsgebot“ gehörten zweifellos zwei von den beiden Musiküssen Dirk Hammerich (Klavier) und Ingolf Drabon (Saxofon) meisterhaft vorgetragene Stücke von Johann Sebastian Bach (1685 bis 1750) – einmal, so wie es Bach wohl selbst allerdings mit Orgel und Flöte gespielt hat und einmal so wie es klingen würde, wenn Bach ein Jazzer gewesen wäre. Für beide Varianten bekamen Hammerich und Drabon in der vollbesetzten Stralendorfer Amtsscheune zu Recht viel Beifall. Was aber hat Bach mit Bier zu tun? mag sich mancher fragen, der an diesem Abend leider nicht dabei war.
Auch Bach hatte 1705, da war er also noch ein ziemlich junger Mann und seit 1703 mit einem ungewöhnlich hohen Gehalt in Arnstadt als Organist angestellt, eine sogenannte Bieroper geschrieben. Dabei handelte es sich um zuvörderst in studentischen Verbindungen aufgeführte musikalische Bühnenstücke humoristischen Inhalts, die nicht selten auch satirische Züge zeigten. Allerdings sind die Noten von Bach leider nicht überliefert, sondern nur der Text der Oper mit dem schönen Titel „Die Klugheit der Obrigkeit in Anordnung des Bierbrauens“. Dessen Verfasser war der Arnstädter Stadt- und Landschulrektor Johann Friedrich Treiber (1642 bis 1719), also deutlich älter als der Komponist.

Zwei Bierköniginnen und vier Experten auf dem Podium
Viel Beifall für ihre Darbietung bekamen die beiden Musiküsse, die übrigens zu Beginn der Talkshow erstmals auch als Sänger und zwar mit dem bekannten Schlager von Paul Kuhn aus dem Jahre 1963 „Es gibt kein Bier auf Hawaii“ hervorgetreten waren, auch von den sechs Podiumsgästen des Abends – zwei Damen und vier Herren. Die Damen waren die beiden Rostocker Bierköniginnen der Jahrgänge 2015/16 und 2016/17, Sophie Kruse und Nicole Ockert, die mit dem Moderator Jürgen Seidel unter anderem über ihre Aufgaben als Bierkönigin, über ihre Erfahrungen mit und Erwartungen an die diese Rolle sowie über Misswahlen ganz allgemein und über die Vorzüge des Gerstensaftes für die Schönheit der Frauen plauderten. Und wie sich das Publikum im Saal überzeugen konnte, schien der Biergenuss seine ihm zugeschriebene Wirkung bei Sophie und Nicole nicht verfehlt zu haben …

Die vier Herrn auf dem Podium waren zum einen der Stralendorfer Amtschef, Frank Bierbrauer-Murken, der an diesem Tage just genau 555 Tage im Amt war und tatsächlich nicht nur jede Menge Bergleute, sondern tatsächlich auch Bierbauer zu seinen Ahnen zählen kann, sowie drei Brauer, so Detlef Projahn, der Geschäftsführer der Vereinsbrauerei Apolda und Präsident des Verbandes der Privaten Brauereien Deutschlands, Andreas Lietz von der Mecklenburgischen Brauerei Lübz, und Frank Lucas von der Inselbrauerei Rügen, der sich im vergangenen Jahr in Brasilien den Vize-Weltmeistertitel der Biersommeliers geholt hatte.

In knapp zwei Scheunendrescher-Stunden erfuhren die rund 100 Gäste in der Stralendorfer Amtsscheune von den Podiumsgästen viel Vergnügliches und Informatives zur Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Gerstensaftes, zum Für und Wider des Deutschen Reinheitsgebotes vom 23. April 1516 und nicht zuletzt zu den wirtschaftlichen Hintergründen von Bierproduktion, Bierverkauf und dem Aufkommen des sogenannten Craft Beers, handwerklich und zumeist konzernunabhängig gebrautem Bier. So erläuterte zum Beispiel Detlef Projahn die Strategie seiner Brauerei, sich im regionalen Thüringer Markt zu behaupten und zugleich die großen Schwierigkeiten, neue Vertriebswege beispielweise nach Mecklenburg-Vorpommern zu erschließen. Da es Apoldaer hier oben kaum zu kaufen gibt, hatte Projahn auch gleich mal ein paar seiner Sorten mitgebracht. Ähnlich hatten es natürlich auch die Botschafter der beiden anderen Brauereien, Lietz und Lucas, sowie die beiden Bierköniginnen gehalten, und so konnten die Besucher an diesem Abend ein reichhaltiges Sortiment sehr unterschiedlicher Biere probieren – von Apoldaer Bockbier über Lübzer in verschiedenen Varianten bis zu Champagner-Bier von der größten deutschen Insel. Und der eine oder andere nahm auch gleich ein flüssiges Weihnachtsgeschenk mit nach Hause.

Lübzer Bier schmeckt auch noch nach fast zehn Jahren im dunklen Schrank
Für eine kleine bier-archäologische Sensation hatte schon während der ersten Hälfte des jüngsten Stralendorfer Scheunendreschers Vizebürgermeister und Ex-Ortschronist Ralf Dombrowski gesorgt, der Podium und Publikum in der Amtsscheune eine nur wenige zuvor bei Aufräumarbeiten in einem dunklen Schrank in einem Stralendorfer Büro gefundene Flasche Lübzer Bier aus dem Jahre 2007 präsentierte – natürlich noch ungeöffnet. Wie würde sie schmecken? Wie sich an dem Abend nach dem überraschend gefahrlosen Öffnen herausstellte, gar nicht so schlecht – wenn auch das mittlere Haltbarkeitsdatum längst überschritten worden war. Trotzdem konnte man das Getränk immer noch unbesorgt und ohne Gesundheitsbedenken zu sich nehmen, wie die Experten des Abends einstimmig befanden.
Allerdings noch besser geschmeckt als dieses alkoholische Büro-Fundstück haben den Besuchern des jüngsten und bereits 16. Stralendorfer Scheunendreschers verschiedene Bierspeisen wie die Biergulaschsuppe vom Landgasthof „Am Amt“ und die berühmten Schmalzstullen von Alfred Siering und seinem Team. Neben Musik und Moderation sind diese kulinarischen Köstlichkeiten jedes Mal ein weiterer gewichtiger Grund, sich den Besuch in der Amtsscheune nicht entgehen zu lassen.
Und nicht zuletzt bietet der Scheunendrescher immer auch viel Amüsantes und Wissenswertes, wozu mitunter auch die freundliche Korrektur eines weitverbreiteten Irrtums gehört. Denn wie Scheuendrescher-Moderator Jürgen Seidel seinen Gästen auf und vor der Bühne mit auf den Heimweg gab, gebe es im Gegensatz zu dem bekannten Schlager von Paul Kuhn doch Bier auf Hawaii, sogar mehrere Brauereien wie die „Mehana Brewery Company“ und einige Bier-Pubs. Ein Urlaub ist im jüngsten US-Bundesstaat, dem „Aloha State“, sei also auch für Bierfreunde nicht mehr ausgeschlossen.
Und noch was Wissenswertes zum Schluss dieses Beitrages und des Veranstaltungsjahres 2016. Je nach ihrer finanziellen Lage im nächsten Jahr planen die Gemeinde Stralendorf und der Dorfverein 675 Jahre Stralendorf e.V. auch 2017 wieder mehrere „Scheunendrescher“. Spannende Themen dafür gibt es jedenfalls reichlich, ist sich die „Scheunendrescher“-Mannschaft sicher.

Jürgen Seidel



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